Aus dem Zyklus „Kammerstücke“ zu Gemälden des 18. Jhs

(aus „Tankstellengedichte“)

 

Antoine Watteau, Gilles

(Paris, Musée du Louvre)

Stehenbleiben!

Und aushalten

Lebensgroß

Alles andere wäre gelogen

also schlechtes Theater

und soviel weniger

als das Tuscheln der Seide vom ersten Wort

oder der stumme Marktschrei

vorm nie gekannten Stück

Da kräht kein

da lacht

da nehmt eure Bälle

wer trifft

trockenen Auges

Francesco Guardi, Ansicht des Canale di Cannaregio

Die Gondolieri tun

was sie immer tun

Sie bringen ihre Ladung

von hier nach dort

Kohlköpfe Schafe Särge

in der größtmöglichen Zerstreuung

der Pinselstriche

mit einem durch Bleiweiß

erleichterten Ruder

Giandomenico Tiepolo, Verkündigung

(Paris, Ecole des Beaux-Arts; Tuschezeichnung)

Sie hat schon einiges erlebt:

Flug- und Landekünste

überraschend wie der fingerspitz hinaus-

getriebene Gruß

Aber der hier schlägt ihr glatt

das Buch aus der Hand,

den Schemel in die Ecke,

spreizt sich wie ein Pfau,

daß auch der Leuchter –

soll sie etwa vergrößern?

Daß noch mehr Putten

ums Fenster schwärmen?

Sie will die Botschaft nicht hören,

aber die fällt gleich

wie Schuppen aus den Flügeln.