Gedicht "Tankstelle in Stuttgart"
Eine
solche Leichtfüßigkeit, Grazie eben, entdecke ich häufig bei Poeten,
die große Stoffe anpacken, ohne sich von den Lasten der Tradition
beeindrucken zu lassen. Susanne Stephan (geboren 1963) nähert sich
wesentlichen Metaphern des Glaubens ausgerechnet an einer "Tankstelle
in Stuttgart", die sie gut gelaunt "sonntags" anfährt - "denn sonntags
/ Ist Er da". Er, das ist nur der Mann, der für Sprit und Sonstiges
kassiert. Und doch ist er der Herrscher über ein so kleines wie
manchmal lebensnotwendiges Reich: "Zu seinen Füßen die Gaben, / die
kleinen Wunder schokoliert, / und wer hat schon / von allen Sorten
probiert?"
Schokoladiges als Lebensmittel und Trost, als
Garant der guten Laune - und das noch an einem Sonntag, an einer
Tankstelle? Das scheint so bedeutungslos wie lebensnotwendig. Das
gehört zu den "gesprenkelten Dingen" - wie es der britische Lyriker und
Jesuit Gerard Manley Hopkins einmal formuliert hat - unserer Welt, von
denen die Dichter nicht lassen können. Susanne Stephan schließt mit
Theologischem, ohne auch nur eine einzige theologische Vokabel zu
nutzen: "Auch ohne Sein Wort: Wer reden will, / muss tanken, und wer
tankt, / kann weiterfahren, getrost! / Nur zu sich und alles im Blick:
/ Zähler, Kasse, bunt gedruckte Welt, / spricht Er: Der Tag war gut."