Gedichte über die neuen Funde
Höhlengrabung
Was wir finden: das Zerbrochene,
unbrauchbar Gewordene,
das gut Versteckte,
im Aufbruch Vergessene,
das Verlorene und Vermisste
wird uns alles erzählen.
© für die Fotos: Universität Tübingen
Als lägen wir auf Luftschiffen
und richteten die Fernrohre nach unten,
bemüht, keinen Schatten zu werfen
über das Mammut, wie es
tief aus der Erde gefallen
schaukelt voran,
in der Bewegung noch der Hand,
die genau wusste,
wieviele Kerben genügen
für den Kopf.
Artefakt
Ein Splitter vom Mammutstoßzahn -
kein Keil für den sicheren,
den todbringenden Griff,
kein Schaber zur weiteren Zurichtung
von Knochen und Fell,
zu nichts nütze,
als seinen Besitzer zu tragen
über das Feuer,
über das Wasser,
zum dunklen Ufer
und zurück.
Fantasie
Mein Atem im Knochen singt vom Norden,
wo die Schwäne nisten,
vom rauschenden Aufbruch ins wärmere Land,
singt von ihrer Rast auf unserem See,
weißer bewegter Herde,
und wie wir sie so leicht erlegten,
den Flügel vom Knochen trennten,
die Löcher bohrten, als der See schon verborgen lag
unterm Eis -
mein Atem im Knochen singt vom Norden,
wo die Töne nisten,
ist Flügelschlag überm Wasser,
Atemschlag, fliegender Klang
ist Stille: nur der Wind,
der durchs gefrorene Schilfrohr zieht.