Tankstellengedichte

Warum machen wir uns bereit gegen Abend
wie der Tankwart, der nach seinen Zapfsäulen sieht,
obwohl kein Kunde kommt,
der alle Lichter andreht
in den widerständigen Nachmittag hinein?

Jeder soll sich erinnern an alle Stunden,
als man reinkommen sollte und zurückrief:
Aber es ist doch noch hell!

Und als man nicht schlafen konnte,
weil kein Licht mehr brannte,
kein einziges, im dunklen Haus.

Was ich glaube, sagt der Tankwart,
mach ich euch glauben,
was ich habe an brennbarem Material…

(aus einem Gedicht zu Edward Hoppers Gemälde „Gas“)

Tankstellengedichte
Klöpfer & Meyer
(Tübingen) 2003
120 Seiten,
15,90 Euro
ISBN 3-421-05769-9

„Tankstellen? sind noch nicht Gegenstand
des Gedichts gewesen, jedenfalls nicht in
dieser Breite. Ja, das sollen gute Gedichte
leisten: Welt sichtbar machen oder faßbar;
Möglichkeiten dessen zeigen, was
Wirklichkeit genannt wird; Worte für das
finden, was sich scheinbar von selbst
versteht.“ (Robert Gernhardt zu den
„Tankstellengedichten“)

Nominiert für den Förderpreis zum Bremer Literaturpreis 2003

Aus der Verlagsankündigung:
„Tankstellengedichte“, das sind lyrische Momentaufnahmen zwischen Zapfsäule, Waschanlage und Heißer Hexe. „Stationen“, der zentrale Zyklus des Bandes, versammelt magische Begegnungen an Tankstellen im Taubertal, bei Stuttgart und Weimar, östlich von Berlin, zwischen Frankfurt, Karlsruhe und Basel, in Frankreich, im amerikanischen Südwesten, er erkundet die süßen, bunten Verheißungen der „Tankboutique, allerorts“, wendet sich zurück zur „Tankstelle auf dem Dorf“, Ort der Sehnsucht inmitten der dörflichen Enge, begegnet einer nächtlich erleuchteten Tankstelle als weltlichem Andachtsraum und wirft zuletzt noch einen Blick auf die berühmteste Tankstelle der Kunstgeschichte, Edward Hoppers Gemälde „Gas“ aus dem Jahr 1940. Während aber die Tankstelle bei Hopper als Außenposten der Zivilisation an der Grenze zur unberührten Natur erscheint, sucht Susanne Stephan die Momente der Wahrheit und des Glücks in der Alltagskultur, ohne jedes modische Zugeständnis. Ihr Ton ist so präzis wie sinnlich, folgt der Kunst der Reduktion und damit einem Leitspruch des großen amerikanischen Lyrikers W.C. Williams: „Gedanken sind nur in Dingen“.

Das Motiv der Reise, des Unterwegsseins variieren die weiteren Zyklen des Bandes: Erkundungen auf französischen Autobahnen, an der Romantischen Straße und auch in der Kindheitsgegend, am Neckar.

Weitere Leseproben aus den Tankstellengedichten:

Zyklus „Stationen“
Zyklus „Kammerstücke“ (zu Gemälden des 18. Jhs.)
Genau, W.C. Williams